Rendsburg – eine Stadtwerdung als Wegegeschichte
Rendsburg ist die Stadt des „Ochsenweges“! 1199 erwähnt der Chronist Arnold von Lübeck (1150-1211) an einer alten Eiderfurt erstmalig die „Reinoldesburch“. Bei archäologischen Ausgrabungen entdeckte Siedelspuren – Grubenhäuser des 9. Jh. – beweisen, dass der Burg vorgelagerte Eiderinseln schon über 300 Jahre früher zur Passage über den Fluss genutzt wurden. Helmold von Bosau (1120-1177) spricht in seiner Slawenchronik bereits von einer Brücke. Der sich im 13. Jh. rasch entfaltende Ort besitzt 1253 das Stadtrecht.
Abb. Rendsburg. Historische Stadtansicht (undatiert). Das am rechten Stadtrand abgebildete Schloss („arx regia“) wurde 1718 abgerissen.
Die aus der geographischen Lage herzuleitende Wegegunst ist Garant für die erfolgreiche Entwicklung Rendsburgs bis in die heutige Zeit. Politische und herrschaftliche Verhältnisse ließen die Stadt zum Kontrollpunkt, bisweilen auch zum Konfliktort zwischen dem Königreich Dänemark und den angrenzenden deutschen Landen werden. Es ist damit kein Zufall, dass der Mitte des 19. Jh. mit dem Königreich Dänemark ausgefochtene Streit um die staatliche Zugehörigkeit von Schleswig und Holstein militärisch überwiegend von Rendsburg aus begann. Besonders in Richtung Norden wurde der Altweg damals seinem strategischen Zweck als „Heerweg“ auf tragische Weise gerecht.
Als zentraler Verbindungsort der Herzogtümer Schleswig und Holstein stieg das mittelalterliche Rendsburg in kurzer Zeit auf in den Rang einer der bedeutendsten landesherrlichen Zollstätten. Dies galt in hohem Maße für die aus Mitteljütland über den „Ochsenweg“ zu den Frühjahrsmärkten in Wedel/Elbe getriebenen Rinderherden. Wenngleich Rendsburg damals keinen eigenen Viehmarkt abhielt, war es optimal am Handel besonders mit den im Frühjahr aufgetriebenen „Magerochsen“ – in Spitzenzeiten über 50.000 Stück! – beteiligt. Erhalten gebliebene Dokumente informieren uns heute umfangreich über das Rendsburger Zollgeschehen des 15. – 19. Jh.
Die Bedeutung des „Ochsenweges“ für Rendsburg ging aber weit über die des Viehtriftweges hinaus. War dieser im Sinne einer Magistrale auch Handelsweg, mittelalterlicher Pilgerweg und Reiseweg, zeichnete sich für die Stadt mit der Bezeichnung „Heerweg“ in besonderem Maße die strategische Bedeutung des Altweges ab. So verwundert es nicht, dass am sagenumwobenen Beginn der Rendsburger Geschichte ein militärisches Ereignis stand: Auf den Eiderinseln an der Herrschaftsgrenze von Holsteiner Sachsen im Süden und Schleswiger Angeln im Norden soll in grauer Vorzeit ein kriegsentscheidender Kampf zwischen dem Angelner Königssohn Offa und zwei sächsischen Königssöhnen um die Herrschaft über das Gebiet nördlich der Eider stattgefunden haben. Vor den Augen der an beiden Ufern versammelten Streitkräfte entschied Offa den Kampf zu Gunsten der Angelner. Sagenhaft begründet, findet sich so eine historische Verbrämung, die im Kern beiläufig auf einen wegebedingten Standortvorteil hinweist, denn die beschriebene Kampfesstätte könnte nur der Bereich der Rendsburger Eiderinseln gewesen sein!
Zur Rendsburger Wegegeschichte gehört dann, dass zunächst ein sukzessiver Ausbau der Stadt im Raume nördlich der Eider begann. 1536 wurde es dänische Festungsstadt und verblieb so bis Mitte des 19. Jahrhunderts. In dieser Zeit erfuhr die Stadt eine radikale Umgestaltung, bis hin zur Verlagerung alter Wegeverläufe. Gründe hierfür waren wohl auch „schlechte Erfahrungen“ Rendsburgs während des „Dreißigjährigen Krieges“ (1618-1648), als die Stadt zweimal in militärische Ereignisse verwickelt wurde. Karten der Jahre 1645 und 1669 belegen, in welchem Maße man zunächst die Altstadtinsel in vierjähriger Arbeit mit Verteidigungsanlagen, Wall und Graben versah. Damit verbundene Stauungen der Eider ließen den Fluss westlich und östlich der Altstadtinsel seenartig anschwellen und sorgten für wirksamen Schutz. Zeitgenössische Karten verzeichnen die Verläufe der „Heerstrasse nach Schleswig“ (1669) und vom „Herweg nach Jevestede“ (1645), letzterer damals aus dem an die östliche Seite der Altstadt verlegten Holstentor führend, von dem ferner der „Herweg nach dem Kiel“ abzweigt. Das gesamte Gelände südlich der Altstadt war damals, als „Sandberge“ bezeichnet, brachliegend. Hier verlief der Weg Richtung Jevenstedt. Der Rendsburger Stadtplan aus der Zeit um 1850 zeigt dann die Bebauung mit dem „Neuwerk“ und dem weiträumigen Paradeplatz im Zentrum. Ein Abgleich dieser Quellen ergibt zweifelsfrei einen Verlauf des „Heerweges“ Richtung Jevenstedt auf einer Linie über den Paradeplatz zwischen „Jungfernstieg“ und „Königstraße“.
Abb. Rendsburg 1669, mit Verlauf der „Heerstrasse nach Schleswig“ im nördlichen Bereich „Vorstadt“ und südlich der befestigten Altstadtinsel mit (nicht bezeichnetem) Altwegeverlauf über die „Sandberge“ zum „Aukrug“ an der Wehrau – die Karte ist nicht genordet.
Abb. Rendsburg um 1645 mit dem eingezeichneten „Herweg nach Jevestede“ – die Karte ist nicht genordet.
Abb. Plan der Festung Rendsburg um 1850
Abb. Rendsburg. Anzunehmender Altwegeverlauf im Bereich der Altstadt und im „Neuwerk“
Abb. Rendsburg. Ausschnittvergrößerung „Neuwerk“ mit Fokus auf den Paradeplatz und eingezeichnetem anzunehmendem Altwegeverlauf zwischen Jungfernstieg und Königstraße.
Auch Kartenwerke des 17. – 19. Jh. zeigen eindrucksvoll, dass Rendsburg die wichtigste Passage des Fernverkehrs zwischen den Landesteilen Schleswig und Holstein geworden war. Ein weiterer, über Fockbek verlaufender Altweg hatte seine Bedeutung damals schon verloren, wurde aber noch als Viehtriftweg genutzt. Spätestens seit Mitte des 17. Jh. ist die von „Saarbrüke“ (Sorgbrück) über „Arenstede“ (Ahrenstedt) auf die Rendsburger Vorstadt zulaufende Trasse Hauptverkehrsader. Ab 1832 erfolgte ihr Ausbau zur „Schleswiger Chaussee“ als erster befestigter „Kunststraße“. Um 1840 wurde auch der von Rendsburg nach Süden führende Altweg zur „Itzehoer Chaussee“ modernisiert. Der Bau des Nord-Ostsee-Kanals (1887-95) zog dann um die Wende zum 20. Jh. weitere, das Wege- und Straßenbild des südlichen Stadtgebietes verändernde Baulichkeiten nach sich. Beredtes Zeugnis dieser war die erste Rendsburger Kanalquerung für den Straßenverkehr, die als „Drehbrücke“ – vor nunmehr über 120 Jahren „Hochtechnologie“! – sowohl eine wasser- als auch landseitige Passage ermöglichte. Da sich ihr Standort unmittelbar auf die „Itzehoer Chaussee“ bezog, war sie ein später Reflex der historisch gewachsenen Wegeführung!
Fazit: Rendsburgs Lage am alten Fernweg („Ochsenweg“) erweist sich seit vielen Jahrhunderten als Verkehrsgunst und wegehistorisches Privileg, das sich bis heute im Verlauf der wichtigsten Magistralen des Landes (Autobahn A7 mit Rader Hochbrücke, Bundesstraße mit Kanaltunnel, Eisenbahn mit Hochbrücke) Ausdruck verleiht und zukünftig fortschreiben wird.
Abb. Karte von Johannes Mejer (1651), südlicher Teil des Amtes Gottorf, und Ausschnittvergrößerung mit Fokus auf Rendsburg und Umgebung.